Heimkehr aus Denkershausen
Neun faszinierende Tage voller atemberaubender und bewegender Erlebnisse bei den Deutschen Einzelmeisterschaften 2014 in Magdeburg liegen hinter uns. Mit einer großen Sehnsucht nach der DEM im Gepäck und im Herzen sind am gestrigen Sonntag alle hessischen Teilnehmer wieder in die Heimat gereist. Wieder einmal verging alles viel zu schnell und wie im Flug. Eine solch mitreißende Meisterschaft wie die DEM löst meist eine Erlebnistrunkenheit aus, bei der ein vernünftiger Abschlussbericht unter dem Trommelfeuer der Erlebnisse zu verschwinden droht. Dennoch möchten wir den Versuch wagen, denn getreu dem Motto „Reden ist Silber, Schwafeln ist Gold.“ lohnt es sich, die ereignisreiche Zeit der letzten Tage nochmals Revue passieren zu lassen.
Zunächst einmal bleibt festzuhalten, dass sich die Meisterschaft nach kurzer Eingewöhnungsphase und der ein oder anderen Schwierigkeit zu Beginn bedingt durch die Umquartierungen in andere Hotels schnell zu einem sehr harmonischen Turnier entwickelte. Die Spielbedingungen waren mit einem großen und ruhigen Spielsaal direkt im Hotel, in dem abgesehen von den offenen Turnieren alle Altersklassen gemeinsam spielen konnten, optimal. Aus kulinarischer Sicht gab es Licht und Schatten. So bot das Hotel auf der einen Seite ein exzellentes Frühstück an, auf der anderen Seite jedoch ein weitaus bescheideneres Mittag- und Abendessen. Für das Gros unserer Teilnehmer und Mitreisenden, die im Hotel lediglich das Frühstück bestellt hatten, bot die direkt an das Hotel angrenzende Altstadt hingegen jede Menge Möglichkeiten, mittags und abends abwechslungsreich zu speisen. Nichtsdestotrotz schaffte es der ein oder andere am Ende der Woche doch, gefühlte 15 Mal beim gleichen Italiener oder Griechen zu landen. Immerhin führten unsere Erkundungstouren nach neuen Restaurants- wenngleich sie uns letztlich unerklärlicherweise zu den immer Gleichen brachten- dazu, dass auch der kulturelle Aspekt nicht zu kurz kam. So zeigte sich beispielsweise mit einem tiefschürfigen „Aha.Toll. Auf, lass' was Essen gehen.“ beim Vorbeilaufen am Hundertwasserhaus in der Magdeburger Altstadt eindrucksvoll das feine Gespür für Architektur unserer Delegation.
Auch die bunt gemischten Freizeitmöglichkeiten vor Ort nutzten wir natürlich in nicht zu knappem Maße. Von Frühsport mit Wasserball im hoteleigenen Schwimmbad über „Katz und Maus“ im Foyer (zur Freude der Hotelbediensteten) bis hin zu gemütlichen Spielerunden mit Werwolf, Saboteur & Co. oder lustigen Rundlaufrunden beim Tischtennis im Freizeitraum war alles dabei. Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle natürlich auch die legendären Singstarrunden am Abend, bei denen wir andere Landesschachjugenden in Grund und Boden sangen. Unterstützt wurden wir hier hin und wieder von überraschenden Soloauftritten in unserer Delegation, wie z.B. dem von unserem Trainer Oliver zu Bob Marleys „No woman, no cry“. Auch die Freizeitangebote der DSJ wie z.B. ein Besuch des Zoos und des Elbauenparks, Freibad, Fußball, Wikingerschach, Großfeldschach, Simultan mit Naiditsch und vieles mehr stießen auf fruchtbaren Boden und wurden von unserer Delegation immer wieder genutzt.
Zu guter Letzt wollen wir natürlich den eigentlichen Grund unseres Aufenthalts in Magdeburg nicht außer Acht lassen- das Schachspielen. Aus schachlicher Sicht war die DEM 2014 mit drei Goldmedaillen und vielen Platzierungen auf den vorderen Plätzen wohl eine der erfolgreichsten DEMs für Hessen aller Zeiten.
Zum einen war da Sophia Schmalhorst, die bereits vor acht(!) Jahren an ihrer ersten Deutschen Meisterschaft teilnahm und in diesem Jahr zum letzten Mal in der U18w an den Start durfte. Nach holprigem Start mit 2 Remisen räumte sie eine Gegnerin nach der anderen aus dem Weg und beendete das Turnier mit sensationellen 6/7 auf dem ersten Platz. Einen besseren Abschluss kann es nach acht Jahren DEM wohl kaum geben. Sophia wird unserer hessischen Delegation in den nächsten Jahren sicherlich sehr fehlen, wobei ihr ja auch noch sieben Jahre die U25-Meisterschaft im Rahmen der DEM offensteht...
In der U16w tat es ihr Sonja Bluhm gleich, die sich ungeschlagen mit souveränem Spiel ebenfalls die Goldmedaille sicherte. 7,5 Punkte- einen ganzen Punkt Vorsprung vor der Zweitplatzierten- konnte sie am Ende auf der Haben-Seite verbuchen. Der Dank ist neben dem Meistertitel auch noch ein weiterer Titel. So werden die DEM-Berichte in den kommenden Jahren wohl länger ausfallen, da wir stets noch ein WFM vor ihren Namen ergänzen müssen. Ihr starkes Spiel bei der DEM führte sogar dazu, dass vor der letzten Runde vier vermummte Personen an ihr Brett stürmten und ihr bereits vorläufig die schachliche Krone aufsetzten- darauf ihr neuer Spitzname: „Staubsauger Sonja- sie saugt alle ihre Gegnerinnen auf“.
Der dritte Sieger im Bunde war Jan-Christian Schröder in der Altersgruppe U16. Ungeschlagen und mit 7 Punkten verfolgte er fast durchweg das Motto „Mit Schwarz gibt's Remis, mit Weiß wird gewonnen.“ Diese taktische Meisterleistung ging auf und so feiert er bereits- bitte korrigiert mich, wenn ich mich verzählt habe- seinen vierten Deutschen Meistertitel.
Ganz nebenbei eignet sich die schachliche Vorbereitung im Falle Jan-Christian zudem als Paradebeispiel für alle, die sich schon immer gefragt haben, worin eigentlich die Unterschied zwischen der Arbeit eines Trainers und eines Delegationsleiters bei dem DEM besteht. So musste am Abend vor der vierten Runde die Moskauer Variante im Lb5-Sizilianer nach 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.Lb5+ eingehender untersucht und vorbereitet werden. Während sich der Delegationsleiter (Flo) kurz nach Mitternacht mit dem überaus qualifizierten und weiterführenden Ratschlag: „Der Gegner will bestimmt nur Remis und wird schon 3. ...Ld7 spielen, das gilt als Schiebervariante.“ ins Bett verabschiedete, erwarb der Trainer (Markus)- bereits vier Tassen Kaffee intus- zu gesalzenen Preisen noch die letzte Palette Energydrinks an der Hotelbar, machte es sich im Zimmer bequem und lies den Rechner bis in die Puppen heißlaufen. Das Delegationsleiterleben Trainerleben ist wahrlich kein Honiglecken...
Ebenfalls in der U16 errang Tim-Niklas Bingert mit einer starken Aufholjagd nach einer ärgerlichen Niederlage in einem hesseninternen Duell noch den 4. Platz und fand sich damit bei der Siegerehrung ebenso auf der Bühne wieder.
In der U10 lösten gleich zwei hessische Spieler ihr Ticket zur Weltmeisterschaft. Alexander Krastev landete mit 8/11 Punkten auf dem fünften Platz. Direkt dahinter auf Platz sechs stand am Ende Markus Kirchner mit 7,5/11 Punkten, der mit einem sensationell starken Turnier in seinem ersten U10 Jahr überzeugte und lediglich durch eine Niederlage gegen den mit 11/11 Punkten Erstplatzierten, Vincent Keymer, in der letzten Runde noch aus den Medaillenrängen verdrängt wurde. In der U10w spielte Esma Memtimin obendrein ein super Turnier und landete letztlich auf Platz 7. Auch die meisten anderen hessischen Teilnehmer können mit ihrem Ergebnis sehr zufrieden sein.
Selbstverständlich kommen unsere ganzen Erfolge nicht von ungefähr. So bilden die ausgezeichnete Jugendarbeit in den Vereinen, die Leistungssportarbeit des HSV und die starke Arbeit der Hessischen Schachjugend das Fundament unseres erfolgreichen Auftretens auf deutscher Ebene. Dennoch spielt immer auch die Betreuung vor Ort eine große Rolle. Daher geht nochmals ein großer Dank an alle mitgereisten Eltern und Großeltern, unser wundervolles Trainerteam bestehend aus Oliver Bewersdorff, Frank Roeberg, Uwe Kersten, Vladimir Gurevich, Jürgen Haakert und Markus Hahn und unsere beiden Delegationsleiter, Viktoria Hauk und Florian Hahn, die stets für unsere Delegation da waren und uns eine rundum tolle Meisterschaft bescherten.
Zu guter Letzt möchten wir uns natürlich auch noch einmal bei allen Beteiligten der Deutschen Schachjugend und der ausrichtenden Schachjugend Sachsen-Anhalt für ihr Engagement, das uns diese geniale Zeit erst ermöglicht hat, bedanken!
Zum Abschluss ließen sich natürlich auch noch jede Menge lustige Geschichten und Geschehnisse von der DEM 2014 erzählen, aber da fällt mir auf, dass ich da mit dem Sprichwort zu Beginn der Berichts doch ein wenig durcheinandergebracht habe. Aus Franks Bericht von der DEM im letzten Jahr geht hervor, dass es anscheinend doch „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ heißt. Dem möchte ich mich nun auch anschließen... |